Claus Flemming
 
Ich schreibe was ich sehe und fühle, fühle und sehe was ich schreibe.

Exposé

 

Wenn auch der Zeitgeist dieser Tage nur Frauen zugestehen will, dass sie sich authentisch

 

über ihr Geschlecht äußern können, wird hier an eine lange Tradition des Frauenlobs in der
Literatur angeknüpft und die Frau in unterschiedlichen Facetten und Figurationen und
Situationen als unersetzlicher und unerschöpflicher Lebenswert und Inspirationsquell
begriffen. Das geplante Lyrikprojekt versteht das Weibliche in der Form des erotisch
Anziehenden als Katalysator, der kreative Energien freisetzt, die sich in lyrischen Texten
manifestieren. Ein Ziel des geplanten Lyrikbandes ist es, in Frauendarstellungen in den
verschiedensten Kontexten die Interaktion des Weiblichen und des Männlichen im
Schöpfungsprozess vor Augen zu stellen. Die Texte sind nicht als unmittelbare Geständnisse
einer auf das Thema des Eros fixierten Männerseele zu verstehen, sondern als Gedichte, als
in sprachliche Form übertragene Wahrnehmungsvorgänge und Gefühlsbewegungen und
Sinnesreize, die zwar Erfahrungen voraussetzen, aber nicht einfach umsetzen.

Für Rainer Maria Rilke sind Gedichte Erfahrungen, die ein für die Welt der Dinge und der
Lebensphänomene in besonderem Maße aufgeschlossenes Sensorium, den „sensitiven
Menschen“, wie der Psychologe Richard Krämer sagt, voraussetzen und die Fähigkeit, durch
den Umgang mit der Sprache Wirklichkeit glaubwürdig zu erschließen. Der Bewerber rechnet
sich ein Sensorium zu, das in besonderem Maße auf das weibliche Geschlecht in seiner
Vielfältigkeit ausgerichtet ist. Er möchte allerdings unbedingt den Eindruck vermeiden, dass
seine Gedichte als Zeugnisse des Charaktertypus eines Casanovas oder eines Don Juans
zu verstehen sind. Es geht in ihnen auch nicht um eine Inbesitznahme des Weiblichen oder
eine chauvinistische Fremdbestimmung, sondern um eine Huldigung, in der sich auf der
Grundlage intensiver Beobachtung Lobpreis und Bewunderung und selbstverständlich auch
Erotik verbinden. Das Erotische ist ein essentieller Bestandteil dieser Lyrik, die nur
gelegentlich in die Nähe der Pornographie kommt. Wenn man eine Selbst-Bezeichnung des
Dichters finden will, der sich in dieser Lyrik zu Gehör bringt, dann ist es der poeta eroticus.
Goethes Formulierung „Das Ewigweibliche zieht uns hinan“ entspricht der Einstellung des
Autors. Darüber hinaus ist es sein Ziel, die Realität des Weiblichen noch frischer und
lebensnäher zu formulieren und dadurch eine offene und sinnliche Sicht auf das Weibliche in
seinen Texten darzustellen.

Der auslösende Moment beim Schreiben von Gedichten ist für den Autor die persönliche
Lebenserfahrung, in der es im Zeitverlauf zu einer großen Zahl von Begegnungen mit Frauen
in unterschiedlichen Situationen, vornehmlich in Alltagssituationen, kam. Der Autor hat nicht
immer einfache Zeiten durchlebt, und sein Leben ist manchmal aus den Fugen geraten,
analog zu dem, was Simone de Beauvoir gesagt hat: „Literatur tritt dann in Erscheinung,
wenn irgendetwas im Leben aus den Fugen gerät“.

Die Frauen sollen in den Gedichten in aller nur denkbaren Vielfalt erfasst und dargestellt und
damit ein „lyrisches Manifest der Weiblichkeit“ geschaffen werden. Dabei erscheinen die
reifere, späte Liebe und ihre ganz besonderen Reize als Heiligtum, als Auslöser schlechthin
für das Schreiben von Gedichttexten, die stets in ganz unterschiedlichen Figurationen und
Darstellungen präsentiert werden. Auch die Texte der Zweisamkeit spielen eine gewichtige
Rolle im Kontext des geplanten Lyrikbandes. Die Gedichte des geplanten Bandes sind nicht
nur als isolierte Frauenportraits gedacht. Durch die Bildersprache werden sie immer wieder
an die Natur und den Raum gebunden. Das Verfahren der poetischen Verarbeitung von
Erfahrungen gilt auch in den Texten, die andere Themenkomplexe berühren (die Natur, den
Frühling etc.). Ziel ist, die Freude an Frauenerscheinungen in ganz unmittelbarer Form zu
vermitteln. Die Leserinnen und Leser sollen vielleicht auch selber erkennen, was sie in ihrem
Leben erlebt und empfunden haben, bestenfalls wie durch einen Spiegel sich selbst
reflektiert zu sehen und sich selbst zu erkennen. Damit ergäbe sich dann in doppelter
Hinsicht eine kognitive Wirkung. Von den gewonnenen Erkenntnissen der Leser und
Leserinnen her gäbe es eine Rückwirkung auf den Dichter, sozusagen eine Bestätigung des
Gesagten und Mitgeteilten in seiner reinsten Form. So etwas ist natürlich am besten beim
mündlichen Vortrag der Gedichte möglich. Die vom Verfasser langjährig gepflegte Praxis der
Gedichtrezitation wird selbstverständlich weitergeführt. Das anspruchsvolle und breit
angelegte Lyrikprojekt weist thematische Schwerpunkte auf, um die sich die Gedichte
gruppieren, benennen. 
So gibt es etwa Huldigungen (enkomiastische Gedichte), Frauen-Portraits, Zweisamkeitsgedichte,
Anrede-Gedichte (Du-Gedichte), ethnisch gebundene Gedichte (mit Ausländerinnen als Protagonistinnen),
Gedankengedichte (mit einem reflektiv-philosophischen Einschlag), Naturgedichte,
Tiergedichte, sprachartistisch dominierte Texte, Erotika usw.

Das beschriebene neue Lyrikprojekt sieht sich in der Tradition zweier „Heldinnen“, Else Lasker-Schüler und Erica Jong.
Es versucht, an ihre Offenheit anzuschließen und sich von
ihren thematischen und formalen Neuerungen inspirieren zu lassen.
Es ist doch eine Ironie des Schicksals, das gerade diese beiden großartigen. Autorinnen mit ihren mehrfach auch
sehr direkten Texten in der heutigen Zeit teilweise nicht hinreichend gewürdigt werden. Sie
haben sich zu Ihrer Zeit nicht beirren lassen, weshalb man sich heute noch auf ihren Mut berufen kann.


Der Autor schöpft aus dem unendlichen Fundus der Möglichkeiten des Lebens. Im Leben mit
seinen Geschichten und Erlebnissen, ob frei erfunden, ob real, ob erzählt, ob selbst erlebt,
alles ist, wäre möglich. Die Gedichte machen immer wieder deutlich, dass sich Frauen auf
das Geheimnis verstehen, beides in einem zu verkörpern, Gegenwart und Versprechen.